Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024
In Österreich sorgt die Frage nach der Baumhaftung immer wieder für Diskussionen und Unsicherheiten. Denn wer haftet eigentlich, wenn ein Baum aufgrund von Sturm oder anderen äußeren Einflüssen umstürzt und dabei Schäden verursacht? Diese Frage beschäftigt nicht nur Privatpersonen, sondern auch Gemeinden und Waldbesitzer.
Grundsätzlich gilt in Österreich das Prinzip der Verkehrssicherungspflicht, das besagt, dass Eigentümer von Bäumen dafür verantwortlich sind, dass von diesen keine Gefahr ausgeht. Das bedeutet, dass sie regelmäßig kontrollieren müssen, ob ihre Bäume gesund sind und keine Anzeichen von Instabilität zeigen. Kommt es dennoch zu einem Schaden durch einen umstürzenden Baum, kann der Eigentümer unter Umständen haftbar gemacht werden.
Mit dem im April diesen Jahres beschlossenen Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 (HaftRÄG 2024) wurde im neuen § 1319b ABGB die Baumhaftung geregelt. Ziel des Gesetzgebers war es, Baumhaltern mit der Neuregelung übertriebene Haftungsängste zu nehmen, die unnötige, den ökologisch wertvollen Baumbestand beeinträchtigende Sicherungsmaßnahmen zur Folge haben können. Die neue Rechtslage tritt am 1. 5. 2024 in Kraft und gilt nur für ab diesem Zeitpunkt eintretende Schadensereignisse (§ 1503 Abs 25 ABGB).
Die durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen verursachten Schäden wurden bisher aufgrund eines Analogieschlusses nach den Regeln der Bauwerkhaftung (§ 1319 ABGB) geprüft. Für den Schädiger hatte dieser Haftungstatbestand, im Vergleich zu allgemeinen Haftungsregeln, zwei Nachteile. Erstens reicht objektiver Sorgfaltsverstoß für die Haftung aus (unabhängig von der subjektiven Sicht des Schädigers). Zweitens kam es diesbezüglich auch zur Beweislastumkehr; der Schädiger konnte sich nur durch den Nachweis, die objektive Sorgfalt eingehalten zu haben, von der Haftung befreien.
Die neue Gesetzgebung regelt § 1319b ABGB die Baumhaftung nun als klassische Verschuldenshaftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ohne Beweislastumkehr. Erfasst sind Körper- und Sachschäden, die durch die bisher der Bauwerkhaftung unterstellten Schadensereignisse (Umstürzen, Herabfallen von Ästen) verursacht werden. Andere Schadensereignisse (z.B. Sturz einer Person vom Baum, Schäden durch herabfallende Früchte) unterliegen den allgemeinen Haftungsregeln. Passiv legitimiert ist nach § 1319b Abs 1 ABGB der Halter des Baumes, dh idR der Eigentümer oder Pächter der Liegenschaft, auf welcher der Baum steht. Das im Text der neuen Bestimmung nicht angesprochene Verschuldenserfordernis folgt aus dem allgemeinen Haftungsrecht. Leichte Fahrlässigkeit genügt. Diese Bestimmung gilt nur für Bäume außerhalb von Wäldern. Die Haftung für Waldbäume richtet sich – wie nach der geltenden Rechtslage – nach der Sonderhaftungsregelung des § 176 ForstG.
Haftungsgrund ist die Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes. § 1319b Abs 2 ABGB zählt beispielhaft („insbesondere“) Kriterien für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Baumhalters auf, nämlich Standort, standortbezogene Gefahr, Größe, Wuchs und Zustand des Baumes. Begrenzt werden die Pflichten durch ein Zumutbarkeitskriterium. Vom Baumhalter können nur zumutbare Prüf- und Sicherungsmaßnahmen verlangt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand des Baumes besteht (z.B. als Naturdenkmal oder wegen einer sonstigen besonderen Bedeutung für die Umgebung). Nach den Materialien ist dies so zu verstehen, dass das besondere Interesse dafür spricht, dass keine unmittelbare Gefahrenbeseitigung durch Fällen oder Abschneiden absturzgefährdeter Äste erforderlich ist, sondern Absperrungen oder Gefahrenhinweise ausreichen.
LIM-TIPP: Um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen, empfiehlt es sich daher, regelmäßige Kontrollen der eigenen Bäume durchzuführen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung zu ergreifen. Im Zweifelsfall können Sie sich rechtzeitig rechtlichen Rat bei unseren Kollegen von LIM-LAW Immobilienrecht einholen, um im Falle eines Schadens gut vorbereitet zu sein.